Peter Paul Thömmes

 

 

Vornamen:   Peter Paul Heinz
Zeitpunkt des Todes:   22.06.1990, 03:00 Uhr
Sterbeort:   Berlin-Spandau
Geburtstag:   21.12.1928
Geburtsort:   Quierschied-Saar
Familienstand:   geschieden

 

 

Trauerrede für Peter Paul Thömmes

 

zu Berlin,

Donnerstag, den 12. Juli 1990

 

Wir, die wir mit Peter Thömmes in der Magistratskanzlei gearbeitet haben, kannten ihn, wir kannten ihn, ohne viel von ihm zu wissen. Das wurde uns am Freitag-Morgen des 12. Juni schmerzlich bewußt. So grundlegende Fragen wie die nach seinen Angehörigen, war er verheiratet, hatte er Kinder, wie alt war er eigentlich geworden ?, da war nur Spekulation, da wurde nachgedacht über das, was man hier und da aufgeschnappt hatte, was er mal eines Abends erzählt hatte, doch da war nichts genaues, da blieb betretenes Schweigen.

 

Dennoch kannten wir ihn, als Mensch, den Menschen, ohne von seinen Daten zu wissen. Wir verbrachten viele intensive Stunden miteinander, sei es beim Schreiben von Wahlprogrammen vor den beiden Wahlen, jedesmal ein Arbeitsfest mit viel gute Laune, immer roter werdenden Köpfen, es wurde, als es dann nachts wurde, viel gelacht, das war Leben, aktives Dasein oder sein es dann, als diese Saat aufgegangen war, im Rathaus, in das er, völlig unerwartet eingezogen ist, in dem alle Fäden in seinen Händen zusammenliefen, in Händen, denen man sich anvertraut hatte mit dem guten Gefühl: da bist du gut aufgehoben, da ist jemand, der weiß wo es lang geht.

 

Was ist da wichtiger: zu sagen, der Mann hat dies und das gemacht, war zu jener Zeit da und dort und so weiter? Peter Thömmes war Existentialist, er konsumierte das Leben, er verbrauchte es und das Leben verbrauchte ihn. Das war, wie ich zu sehen meine, das entscheidende: das intensive Leben im – keineswegs flüchtigen – Augenblick, das Erleben der Existenz in seiner ganzen Breite und Tiefe.

 

 

Wir, so glaube ich hier stellvertretend sagen zu können, die wir ihn nur kurz kannten, dennoch aber kennen lernen durften, einige Monate in heftiger Zeit nur, in Zeiten, in den man nicht zurückblickt, sondern den Anforderungen des Augenblicks gewachsen zu sein hat, gegenwärtig ist, ohne zu verdrängen, schauen ihn – ohne zu fragen, woher er kam – als ein Kometen, der aufblitzt, strahlt und plötzlich erlischt: und als solcher tiefe und helle Spuren am sonst doch so blassen Horizont hinterläßt, Spuren, die verbleiben:

 

da war seine klare Bestimmtheit, wenn er zu einem Urteil gekommen war, da war die Güte seines Lächelns, wenn man es ihm entlockte, obwohl, was heißt entlockte, er war damit eigentlich großzügig, sein Humor, seine Heiterkeit, da war dann sein tiefer Ernst, mit dem er die Aufgabe erfüllte, die ihn ganz erfüllte, mit der er am Ende verschmolz zur Selbstaufgabe, gespeist neben der bohrenden Kraft der Verantwortung nur mit Kaffee und Zigaretten bis in die späte Nacht. Da bleiben Bilder, Redewendungen, Gesten, Merkmale eines Menschen, die mehr sagen über die Eigentlichkeit seines Wesens als hier gesagt werden kann.

 

Peter war jede Bevormundung zuwider. Niemand konnte ihm sagen, er solle doch dieses oder jenes unterlassen zum Wohle der Gesundheit, zum Wohle seiner selbst. So wie er es sich auch nicht erlaubte, andere zu bevormunden: Die Freizeit zum selbstbestimmten Leben, das sich als solches weiß, war sein Leben: das brachte ihn in Widerspruch zu vielem: zum real-existierenden Sozialismus, für den er nur noch bissige Bemerkungen übrig hatte, ohne durch ihn zum Verbissenen geworden zu sein, im Gegenteil, diese Einstellung zum Leben brachte ihn allerdings auch in intuitiven Widerspruch zu manchen von den Kanzleien aufs Volk herabpredigenden – mitunter auch sozialdemokratischen – Pfaffen, die er mit großer Skepsis beobachtete.

 

Mit Skepsis betrachtete er auch moralisierende Anschauungen über die Menschen, wie sie von so manchen Dichtern und Denkern im hübigen und drübigen Lande angestellt werden, die über das Eigentliche derjenigen Menschen, über die sie glauben urteilen zu können, hinweggehen: die scheinbar über den Dingen schwebend, den Menschen ihren angeblichen D-Mark-Nationalismus verübeln, in den sie sich – in was denn sonst – nach der langen sinnlichen Entbehrung – flüchten. Habermas, so bekundete er, habe da nicht Recht, mag er auch richtiges sehen. Insofern war Peter, von erfrischender, sprühender, tief fundierter Intellektualität, alles andere als ein Intellektueller einer glatten abgehobenen Linken, die einem angeblich so modernen Diskurs der Moderne, bei ihnen zu bloßer Moral heruntergewirtschaftet huldigt: viel eher könnte man in ihm einen kantigen, eckigen Demokraten, ich wage zu sagen, postmodernen Zuschnitts sehen im Sinne der Maxime: Leben und leben lassen.

 

Paradox scheint es am Ende so, als habe er schließlich auch in Widerspruch zu sich selbst gestanden: denn das Verbrauchen des Lebens verbrauchte auch ihn: – zu früh? Zu früh. wohl nur für uns, die wir bleiben, uns weiterhin behaupten müssen in einer kontingenten Welt ohne letztinstanzlichen Halt, an den er sowenig glaubte, wie einige hier. Als radikaler Existenzialist war er auch ehrlicher Atheist, der von sich sagen kann – und das können, wenn man sich umschaut, nicht viele – confieso que he vivido, Nerudas Überschreibung seiner Memoiren: Ich bekenne, ich habe gelebt.

 

Der stille und wenig bekannte Schweizer Ludwig Hohl begann seine zwischen 1934 und 36 aufgeschriebenen Notizen, die er mit der Programmatik: von der unvoreiligen Versöhnung überschrieben hat, mit folgender lebensphilosophischen Präambel:

 

„Der Mensch lebt nur kurze Zeit.“

Verhängnisvoll ist, sich einzubilden – genauer: die kindliche Einbildung zu bewahren –, daß wir lange leben. Alles würde, wenn wir bei Zeiten von der Kürze unseres Lebens wüßten, sehr geändert sein. Nun sieht unser Leben von der Kindheit aus gesehen freilich lang aus; von seinem Ende aus unerhört kurz; welches ist seine reale Dauer? Sie hängt davon ab, wie oft und von wie früh an du dein Leben als kurz betrachtet hast.

 

Alles was wir handeln, muß, wenn es Wert haben soll, vom Betrachtungspunkt der Kürze unseres Lebens aus gehandelt sein.

Stehen wir nicht da, so werden wir, auch wenn wir scheinbar tätig sein sollten (äußere Gewalten treiben uns zumeist zu einer scheinbaren Tätigkeit und lassen uns ihr nicht mehr entrinnen), vorwiegend in immerwährende Erwartung leben; stehst du aber da, so willst du vor allem andern selber rasch noch etwas tun. ( – und mit einem ganz andern Ernste, als jenes Tun geschieht, in dem dich fremde, äußere Möchte gefangen halten). Es ist aber etwas tun und solches Tun – eigenes Tun, zu dem dich nicht fremde äußere, sondern innere Gewalten nötigen –, das einzige, was Leben gibt, was retten kann.

 

Solches Tun nenne ich Arbeiten.

 

 

Ein Arbeiter in diesem Sinne war Peter, wie er uns begegnet ist, bis zuletzt. Dies ist uns Vermächtnis eines Menschen, der nicht weiter zerredet werden kann noch soll, darum ich mich nur noch schweigend verneige vor einer Frau, die einen großen Menschen und Freund und einer Tochter, die einen – sicher für eine Tochter nicht leichten – Vater verloren hat. Die Leere, die mit dem Verlust dieses Lehrers entstand, wird bleiben:
Peter Paul Thömmes, wir vermissen dich.

 

gehalten von Frank-C. Hansel, damaliger Büroleiter des Chefs der Berliner Magistratskanzlei.

 

 

 

 

 

 

Norbert Kaczmarek über Peter Paul Thömmes

 

Buchumschlag Kaczmarek

Unter dem Titel "Wie zwei Berlins zusammenwuchsen. Revolution ist, wenn die Verwaltung Überstunden macht" schrieb Norbert Kaczmarek, der damals Abteilungsleiter für Politische Koordination in der Senatskanzlei war, ein Buch.
Seit Mai 1990 war er für beide Bürgermeister tätig, also er arbeitete im Roten Rathaus und im Rathaus Schöneberg.
Das Buch erschien erst 2015 im Vergangenheitsverlag Berlin, also 25 Jahre nach dem Tod von P. P. Thömmes, der im Roten Rathaus kurze Zeit Chef der Magistratskanzlei war.
In dem Vorwort wird über diese Publikation gesagt, daß der Autor Kaczmarek "seine Aufzeichnungen und Notizen, diverse Sitzungsprotokolle und sonstige Unterlagen ausgewertet und sein Gedächtnis für diese spannendste Zeit seines Berufslebens befragt" hat. Und er hat diesen Bericht "all denen gewidmet, die im öffentlichen Dienst in Ost und West die politischen Beschlüsse der gewählten Vertretungen der Bevölkerung zu Tatsachen werden ließen als Voraussetzung dafür, dass beide Berlins wieder das werden konnten, was sie sein wollten: Die vereinte freie und unteilbare Hauptstadt Deutschlands."

Der Name Thömmes taucht in dem Bericht mehrmals auf.

Auf der Seite 83:
Bei der Berufung des Verwaltungschefs konnten wir statt des Namens nur Punkte vorsehen. Erst am Nachmittag des 30. Mai, wenige Stunden vor der konstituierenden Magistratssitzung, wurde ich Peter Thömmes vorgestellt, der kurz danach Chef der Magistratskanzlei wurde."
Wer dann die Punkte mit Namen versehen hat, konnte man nicht lesen.

Auf Seite 90:
"Peter Thömmes, das merkte man ihm an, hatte Lampenfieber. Aber das ging auch denen so, die mit einer weit weniger wichtigen Rolle als die des Chefs der Magistratskanzlei betraut waren.
Tino Schwierzina wirkte ganz ruhig und schien zugleich irgendwie aufgeregt. Er begab sich in wenigen Minuten auf ein glattes Parkett, auf dem er nicht gewohnt war, sich sicher zu bewegen. Er würde allein im Mittelpunkt und ebenso im Schatten seines Westkollegen stehen, der sich zu inszenieren verstand."

Auf Seite 91:
Als Tino Schwierzina zu reden anfing und die Sitzung eröffnete, wurde es ganz schnell still. Bevor es ganz offiziell wurde, waren einige Erklärungen erforderlich.
Links von ihm saß Peter Thömmes, der zwar den SED-Stadträten, nicht aber jedem aus dem CDU-Teil des Magistrats bekannt war. Rechts neben ihm saß ein Fremdling aus dem Westen, den niemand außer Elmar Pieroth kannte. Meine Rolle beschrieb er kurz als die eines ihm von Dieter Schröder empfohlenen begleitenden Helfers aus der Senatskanzlei in West-Berlin, der mit seinen hinten sitzenden Kollegen die nun beginnende Arbeit unterstützen würde."
Wer der "Fremdling aus dem Westen war", wurde nicht aufgeklärt.

Auf Seite 107 erfährt man, daß das Büro erst ein halbes Jahr später aufgelöst wurde:
"Am Sonnabend, dem 2. Juli, legte, mit Unterschrift des Stadtrates Krüger, die Abteilung II der Magistratsverwaltung für Inneres, eine „Liste der Mitarbeiter des Magistrats, deren Position und Funktion in der Nomenklatur festgelegt war“ vor. Die Liste enthielt die Namen von 53 Mitarbeitern in der Magistratsverwaltung, von 39 in nachgeordneten Einrichtungen und von 33 in unterschiedlichen Betrieben in der Stadt. Sie war auftragsgemäß den Mitgliedern der vom Magistrat eingesetzten Personalkommission, also den Stadträten für Finanzen, Soziales und für Gleichstellungsfragen sowie dem Chef der Magistratskanzlei, zugeleitet worden.
Mir als seinem Vertreter wurde sie erst bekannt, als ich im Januar 1991 das Büro des im vergangenen Sommer verstorbenen Chefs der Magistratskanzlei auflöste. Allerdings hätte die Kenntnis der Namen im Sommer 1990 manches leichter verständlich gemacht. Andererseits: So war weniger Befangenheit gegenüber vielen Menschen im täglichen Umgang."

Auf Seite 113:
"Stadtrat Krüger berichtete, dass die vorgesehenen Einzelgespräche derzeit, jeweils in Anwesenheit eines Personalvertreters, von den Stadträten geführt würden. Auf Stadtrat Zippel, für das Gesundheitswesen zuständig, kamen über 100 solche Gespräche zu. Der Chef der Magistratskanzlei empfahl, dass nach den Gesprächen besonders komplizierte Fälle in der Personalkommission beraten werden sollten. Immerhin war man sicher, dass sich die Zahl insgesamt nicht erhöhen werde."

Auf Seite 131:
"Die Vorlage 17/90 Abriß der Berliner Mauer wird nicht beschlossen. Sie ist unter Beachtung der geführten Aussprache zu den Aspekten des Einsatzes der Grenztruppen der DDR für den Mauerabriß, der Kosten, der Entsorgung und Lagerung des Bauschutts und der Erhaltung von Mauerabschnitten als Mahnmal dem Magistrat kurzfristig erneut zu unterbreiten. Dazu führt der Magistrat in der Sitzung am 15. Juni 1990 eine Vorberatung.“ Und dann der Auftrag zur Überprüfung der Magistratsbeschlüsse, „ob sie weiterhin rechtsverbindliche Grundlage sein können. Dazu ist vom Büro des Magistrats bis zum 15. 06.1990 allen Magistratsmitgliedern eine vollständige Beschlußübersicht zu übergeben, anhand derer durch die jeweils zuständigen Magistratsverwaltungen die Prüfung vorgenommen wird. Das Ergebnis der Prüfung ist bis zum 22. Juni 1990 an den Chef der Magistratskanzlei zu übermitteln.“

Auf Seite 140 mit der Überschrift
TINO SCHWIERZINA BESUCHT LOTHAR DE MAIZIÈRE
"Aus dem Büro des Chefs der Senatskanzlei kam der Auftrag, zusammen mit dem Chef der Magistratskanzlei, den für den 15. Juni vereinbarten Besuch des Oberbürgermeisters beim Ministerpräsidenten vorzubereiten. Wie zu einem Besuch beim Nachbarn machten sich am Freitagnachmittag Tino Schwierzina, Peter Thömmes, Christian Hoßbach als Sprecher des Magistrats und Protokollant zu Fuß auf den Weg zum Amt des Ministerpräsidenten. Mit dem unverletzten Überqueren der stark befahrenen Grunerstraße gleich hinter dem Rathaus mit ihren 2 mal 4 Fahrspuren hatten wir den schwierigsten Teil der Mission geschafft."

Auf Seite 146:
Vor allem aber: Niemand war darüber unterrichtet worden, dass dieser Ratgeber eben noch der APO-Sekretär der Bezirksplankommission, also der oberste SED-Funktionär der dort beschäftigten Parteimitglieder war. So war gleichsam der SED die Vorauswahl über die künftigen Mitarbeiter anvertraut worden. Sehr viel später erste, beim Sichten des Nachlasses offenbar ungelesener Papiere in den Wandschränken des Büros des Chefs der Magistratskanzlei, als es schon wieder inopportun war, darauf aufmerksam zu machen, jedenfalls viel zu spät für eine angemessene Konsequenz, erfuhr ich dieses Detail. Da war ich schon geneigt, es für einen weiteren gelungenen Beitrag zur Ironie auch dieser Geschichte der Wiedervereinigung zu halten.

Auf Seite 147:
Zunächst aber galt die Anordnung des Chefs der Magistratskanzlei Peter Thömmes vom 6. Juni 1990, mit der beide Seiten zu fruchtbarer und natürlich gleichberechtigter Zusammenarbeit verpflichtet wurden, als ließe sich Kollegialität per Dekret herstellen.

Auf Seite 154:
"Am 5. Juli saß ich in einer Kommission, nicht als Zuschauer oder Protokollant, sondern als beauftragtes und stimmberechtigtes Mitglied, nicht als Person, sondern in einer Funktion, in Nachfolge für Peter Thömmes. Der sollte ja eigentlich auch nur Tino Schwierzina vertreten, den Oberbürgermeister, dessen Auffassung er vielleicht geahnt hätte, die aber sein Vertreter nicht kannte."

Auf Seite 165:
Am Freitag, 22. Juni, klebte morgens an der Tür zum Raum 106, dem Vorzimmer des Oberbürgermeisters, ein Zettel: „Peter Thömmes in der Nacht gestorben“. Betroffenheit. Nachdenken. Was jetzt? Die übliche Besprechung entfiel. Alles Eilige musste jetzt warten, für ein paar Stunden. Dann verlangte die Routine ihr Recht."

Auf Seite 183:
AUF ZWEI STÜHLEN: „DIENER ZWEIER HERREN“
"Drei Wochen nur hatte Peter Thömmes das Amt des Chefs der Magistratskanzlei üben können. Er übte es vom ersten Tag an mit ganzer Kraft aus. Wenige Stunden vor seiner Ernennung hatte ich ihn kennengelernt. Einen Tag vor seinem Tod habe ich ihn noch voller Arbeitseifer erlebt, begeistert von seiner Aufgabe, die Arbeit des neuen Magistrats und den Oberbürgermeister ideenreich zu unterstützen und die Stadträte und die ihnen unterstellten Verwaltungen zu einem erfolgreichen Ganzen zusammenzuführen."

Auf Seite 186:
Bei der Trauerfeier auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in der Chausseestraße sprachen Wolfgang Thierse, seit Juni Vorsitzender der SPD der DDR, und der 25-jährige Politologie-Student Frank-Christian Hansel, der über ein Praktikum beim SPD-Landesverband in Berlin-West im Frühjahr 1990 zu Peter Thömmes gestoßen und ab 1. Juni als Büroleiter des Chefs der Magistratskanzlei tätig war. Abgesehen vom der Einzigartigkeit der Umstände und meiner Anwesenheit fand ich nichts sonderlich Bemerkenswertes an dieser Zeremonie für einen vor kurzer Zeit im politischen Geschäft der Stadt in die Spitzengruppe getragenen Verstorbenen, der öffentlich kaum bekannt sein konnte, dennoch allerdings eine große Gemeinde derer zu versammeln vermochte, die ihm diese letzte Ehre erwies. Natürlich beeindruckte mich der Ort mit seinen vielen dekorativen Grabstätten berühmter Deutscher. Nichts ahnte ich davon, dass eine der Trauergäste, die demnach eine freundschaftliche Beziehung zu dem Toten hatte, diese Feier zum Bestandteil eines einige Jahre später veröffentlichten Romans werden ließ.
Er war mitten aus der Arbeit gerissen worden, die keinen Aufschub geduldet hatte. So war schon unmittelbar nach seinem Tod die Frage seiner Nachfolge gestellt, aber nicht wirklich beantwortet worden. Niemand war auf einen Ersatz vorbereitet, so dass bald ein im Politbereich gängiger Weg beschritten wurde, der zwar keine Lösung, aber eine Notlösung bedeutete. Dieter Schröder, rechte Hand von Momper, rückte dem Oberbürgermeister noch näher. Irgendwann in diesen Tagen hat mich dann jemand von diesen Dreien angesprochen, dass ich doch die Vertretung übernehmen und mich halbtags um das Tagesgeschäft im Berliner Rathaus kümmern möge. Die präziseste Form dieser Aufforderung las ich dann am übernächsten Wochenende in einer Zeitung. „Nach dem plötzlichen Tod des Chefs der Magistratskanzlei, Thömmes, wird der Nachfolger nun auch in West-Berlin gesucht. Dieser Tod eines ungewöhnlich fähigen Kopfes habe eine schwere Lücke gerissen …. Das macht bis auf weiteres Kaczmarek mit, weiß der Senatssprecher.“ Der praktisch denkende Büroleiter sorgte bald dafür, dass ich einen Hausausweis für das Rathaus bekam, der mich als Amtsinhaber zweifelsfrei auswies."

Anmerkung: Die Autorin, die Herr Kaczmarek nicht kannte, ist Monika Maron.